Montag, 30. Januar 2017

Revolution im Verstand

rivilegiert, beleibt und wohlhabend stolziere ich durch meinen Gehirn-Palast. Umhüllt von kostbarsten Gedanken-Gewändern feiere ich mich selbst in den prunkvollen Gemächern der Argumentation, errichtet und ausgeschmückt von Selbstvergewisserungs-Tatsachen, die mir über Jahre hinweg in einer festen Ordnung immer demütig und brav den mir laut Tradition zustehenden Anteil brachten, und auf die ich dennoch - mal heimlich, mal offen - mit Verachtung hinabblickte, ohne mich jemals zu ihnen hinabbegeben zu haben. Wollte ich die Zeichen nicht erkennen? Konnte ich die Zeichen nicht erkennen? Als die Türen zum Festsaal krachend auffliegen, ist die Antwort auf diese Fragen nicht mehr von Belang. Rauher Fakten-Pöbel stürmt hinein und beginnt sofort mit seinem Zerstörungswerk. Ungewaschene, grobe Hände greifen gierig nach zarten Gedanken, die sie bald zerfetzen und zertrümmern. Aller Pracht entkleidet, allen Glanzes verlustig, gedemütigt und ohnmächtig stehe ich bis auf die Leibwäsche entblößt inmitten der Verwüstung. Aus meinen einstürzenden Augen flieht ein Blick zurück und bleibt hoffnungsleer an einem letzten Stückchen unversehrter, trügerischer Gewißheit haften, während ich gepackt und hinausgezerrt werde in die Kälte, in die Schutzlosigkeit. Man wirft mich in eine schmutzige Zelle, und das Gelächter ist groß, als ich das zusammengereimte, weiche Prunkbett gegen die wahrhaftige Härte einer strohbedeckten Pritsche tauschen muß. "Wir hätten dir alle unsere Waren zu dem vernünftigen Preis der Überprüfung angeboten. Doch du ließest sie einfach eintreiben und hast blind und gierig an dich gerafft, was dir gefiel, was zu dir paßte, was dich schmückte!" So lautet die Anklage. "Aber...", stammele ich. "Aber... Ich liebe Euch doch, meine Untertanen!". Höhnisches Gelächter, obszöne Gesten, verächtliches Ausspucken. "Dir bleibt eine Nacht des unruhigen, bilderlosen Schlafes! Verzichte morgen offiziell vor unserem Tribunal auf deine parfümierte Fassaden-Kenntnis und lerne das Leben in der Latrine der Tatsachen kennen", raunt man mir noch zu. "Und glaube nicht, daß wir bei dir eine Ausnahme machen: Wir haben schon ganz andere Köpfe von ihren Träumen getrennt". Meine ungeübte Seele steht nackt dem Schöpfer zur Verfügung, der sie - so muß ich hoffen - mit Milde betrachtet.

1 Kommentar:

Robert hat gesagt…

Sei gegrüsst, lieber Bruder unserer erfreulich wachsenden Familie, und sei zufrieden: der Misthaufen ist wenigstens warm!
Dein Vetter Thysus Hiob